Freitag, 26. Oktober 2012

Der Antistricker

Szenen einer Ehe.


Szene 1
Irgendwo mitten im Pfälzer Wald, in einem kleinen Häuschen.
Dienstag, 14. Februar 2012.
Valentinstag.


Sie: "Du schenkst mir etwas? Heute am Valentinstag?"

Er: "Jo."

Sie: "Du verschenkst doch aber sonst
nie etwas an diesen Gedenktagen!"

Er: "Ich wollte mal eine Ausnahme machen."

Sie: "Für dich habe ich jetzt aber nix."
Sie packt ihr Geschenk aus.
"Ein Buch ... über Häkelmützen?"

Er: "Du hast doch gesagt, dass Mützenstricken
nicht so dein Ding ist. Dachte, du könntest
es ja mal mit Häkeln probieren."
Er grinst breit.

Sie: "Seit wann hörst du mir zu, geschweige, merkst dir
etwas, wenn ich über's Stricken erzähle?"
Sie kann es immer noch nicht glauben und setzt sich
auf den nächstbesten Stuhl.
Sie denkt: "Du kennst den Unterschied zwischen Häkeln
und Stricken?" sagt aber lieber nichts und fängt an, das
Buch durchzublättern.

Er holt sich eine Tasse Kaffee. Bringt ihr sogar eine mit.

Er: "Kannst mir ja mal eine häkeln."

Sie blickt auf. "Echt?"

Er: "Jo."

Sie: "Du magst doch aber keine selbstgestrickten
Kleidungsstücke."
Sie erinnert sich messerscharf an Monsterdiskussionen
über dringendnotwendige Wolleinkäufe.

Er: "Naja, die Pullunder der Kinder sind ja ganz hübsch."

So langsam freut sie sich ganz arg
und bedankt sich stürmisch.



Szene 2
Irgendwo mitten im Pfälzer Wald, in einem kleinen Häuschen.
Goldene Herbsttage im Oktober 2012


Er: "Ich brauche eine neue Mütze.
Die eine ist total ausgeleiert, die andere total verwaschen."

Sie lacht: "Soll ich dir eine stricken?"

Er brummelt etwas, dass sich wie "Ja." anhört.

Sie: "Willst du die Mütze mit Aufschlag oder einfach glatt
am Kopf anliegend."

Er: "So wie die alte war."

Sie denkt: "Super. Die eine hatte einen Aufschlag und
die andere war einfach glatt am Kopf anliegend."

Sie: "Ich könnte dir auch eine häkeln. Erinnerst du dich
noch an das Buch, das du mir geschenkt hast? Der Stil
der Mützen hat dir doch gefallen."

Er: "Ich muss sie mir erst anschauen."

Sie: "Welche Farbe möchtest du denn?"

Er: "Was dunkles. Nimm einfach
von der Wolle, die du da hast."

Sie durchwühlt in Gedanken ihren Wollkorb und 
stellt fest, dass sie wie so oft nichts passendes da hat.
Alles schon verplant oder ungeeignet.

Sie holt ihr Valentinsgeschenk aus dem Regal, entscheidet
sich für eine Mütze, schaut sich die empfohlenen Garne an,
merkt sich die benötigte Menge, sucht Alternativen,
vergleicht Preise, prüft Farben, misst seinen Kopfumfang,
schaut wo ihre 6-mm-Häkelnadel ist und verlässt am
nächsten Tag den Pfälzer Wald, fährt über die Grenze ins
Weingebiet, in die Stadt, ins nächste Wollgeschäft, wird
sofort fündig und fährt fröhlich wieder nach Hause.



Szene 3
Irgendwo mitten im Pfälzer Wald, in einem kleinen Häuschen.
Immer noch goldene aber mittlerweile kalte, neblige Herbsttage im Oktober 2012.


Sie: "Die Mütze war schnell fertig. Nur noch schön
verpacken und warten bis er heimkommt ..."

Etwas später.

Er: "Für wen ist das Geschenk?"

Sie: "Für dich."

Er reisst das Geschenkpapier auf.
"Hmm, etwas für kalte Tage?"
Er lacht: "Wow - 'ne echte Boshi - für mich?
Hey, die passt - steht sie mir? "
Fragend schaut er seine Tochter an.
"Die steht dir wirklich gut, Papa!"
Er geht an den Spiegel und sagt:
"Da brauche ich jetzt aber noch eine,
so zum Wechseln und so."

Sie schmunzelt und denkt an die zwei Knäuel,
die sie sicherheitshalber noch zusätzlich gekauft hat ...











Notizen:
Anleitung "Beppu"
aus Myboshi Mützenmacher - Häkelmützen in deinem Style von Thomas Jaenisch und Felix Roland
Garn: Soft Wool von Wolle Rödel (55% Schuwolle, 30% Polyacryl, 15% Alpaka), LL: 55 m / 50 g
Verbrauch: 100 g in anthrazit und 50 g in beige
Häkelnadel: 6,0 mm (empfohlene Nadelstärke 7-8)

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